Technik der Dampflokomotiven |
15.02.2005 ![]() ![]() |
Dampflokomotiven üben auf viele Menschen nach wie vor eine besondere Anziehungkraft aus. Auf mich wirken diese Kraftpakete wie lebendige Wesen aus einer anderen Zeit, scheinen sie doch wirklich zu atmen und unter der Last der angehängten Züge zu Ächzen und zu Stöhnen. Außerdem sieht man, dass sich da was bewegt, auch ohne die Feinheiten der Steuerungstechnik verstanden zu haben.
Betrachtet man Aufnahmen aus der Frühzeit der Eisenbahn, so fallen die relativ kurzen Lokomotiven und Wagen auf. Die Loks hatten meist nur eine oder zwei Antriebsachsen, was für die kurzen Züge und meist ebenen Gleisanlagen durchaus ausreichend war. Mit der Ausbreitung der Schienennetze ergab sich aber die Notwendigkeit Trassen auch in hügeligem Gelände oder gar durch Gebirge zu bauen. Zusätzlich mussten mit der Zunahme der Beförderungsleistung schwerere Züge gezogen werden. Für beiden Aufgaben waren längere Lokomotiven erforderlich, da man für Güterzüge mehr Antriebräder benötigte um mehr Kraft auf die Schienen zu bringen. Bei Schnellzuglokomotiven mussten die Antriebsräder größer werden um immer höhere Geschwindigkeiten zu erlauben. Auch das erforderte längere Lokomotiven. |
![]() "Die Adler" war 1835 nicht nur die erste Lokomotive in Deutschland, sondern 1974 auch das erste fischertechnik Clubmodell.
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Werden die Antriebsräder starr in einem gemeinsamen Rahmen angebracht, so benötigen längere Maschinen aber größere Gleisradien. Lösungen bieten hier Systeme, bei denen Achsen seitenverschiebbar im Rahmen angeordnet werden oder Gelenklokomotiven, bei denen die Antriebsachsen in zwei (in seltenen Fällen auch drei) Einheiten angeordnet werden, die gegeneinander beweglich verbunden sind.
Wir haben hier die bekannten Gelenkbauarten Fairly, Meyer, Garratt und Mallet mit Elementen der fischertechnik Bau-Spiel-Bahn nachgebaut.
Bei Lokomotiven mit zwei Motoren sollten diese unbedingt in der Lokomotive elektrisch verbunden werden, da das Fahrverhalten sonst katastrophal ist. Bei Problemen mit der Stromaufnahme blockiert der entsprechende Motor, wodurch sich das Drehgestell einseitig hebt. Die Maschine bockt dann wie ein Esel.
Normalerweise hebt man sich das Beste ja bis zum Schluß auf, aber die originellen Fairlie Maschinen standen ziemlich am Anfang der Entwicklung der Gelenkloks und sollen daher auch hier am Beginn der Betrachtungen über dieses Thema stehen. Manchmal werden diese Maschinen auch als Doppel-Fairlie bezeichnet, denn es gibt auch noch eine recht unscheinbare Schöpfung des gleichen Konstrukteurs Namens "Single Fairlie".
Der schottische Ingenieur Robert Francis Fairlie (1831-1885) wollte mit dieser Konstruktion natürlich wie bei anderen Gelenkloks mehr Zugkraft durch größere Kessel um enge Kurven bringen. Gleichzeitig sollte aber auch das Gewicht stärker auf die Antriebsachsen gelegt werden und das Wenden am Ende der Strecke entfallen. Um dies zu verwirklichen sitzt das Oberteil der Lokomotive auf zwei angetriebenen Drehgestellen. Jedes Ende hat eine eigene Rauchkammer und eigenen Schornstein während die beiden Feuerbüchsen und die Kontrollen in der Mitte des einen langen Kessels zu finden sind. Eine Doppel-Fairlie sieht aus wie zwei Dampfloks, die am Führerstand starr miteinander verbunden sind. Nachteile der Konstruktion sind der beschränkte Platz für Vorräte, die aufwändigere Wartung des großen Kessels und die Trennung des Bedienpersonals wegen des durch den Führerstand hindurchgehenden Kessels. |
![]() Die markante Silhouette der Fairlie mit den außen liegenden Schornsteinen:
![]() ...und so kommt sie um die Kurve: Die Antriebseinheiten schwenken unter dem starren Rahmen, der Kessel und Führerhaus trägt weg.
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Durch den Führerstand in der Mitte und die beiden Schornsteine bekommt die Lok eine markante Silhouette, die der "Ffestiniog Railway" sogar als Logo dient.
Bezüglich der Frage, wie gelungen dieses Konstruktion ist, gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Viele Bahngesellschaften verwarfen den Entwurf schnell wieder, da es Probleme mit der Dampfdichtigkeit an den Verbindungen der Drehgestelle gab und die Menge an Vorräten sehr begrenzt war. Andere verwendeten diese Maschinen über viele Jahre. Die "Ffestiniog Railway" benutzt diese Maschinen noch heute und ist praktisch ein Synonym für "Fairlie".
Solch skurrile Konstruktionen sucht man natürlich zuerst in Großbritannien :-) Aber auch in Deutschland wurden Fairlies gebaut: die Sächsische Maschinenfabrik, Chemnitz lieferte drei Maschinen unter der Bezeichnung IM (Reichsbahnbezeichnung BR 99.16) an die sächsische Staatsbahn. Die Silhouette ist allerdings weniger auffällig als bei dem hier abgebildeten Modell, da die Maschinen überdacht und mit einer umlaufenden Galerie versehen waren. Die Nr. 99 163 ist im Verkehrsmuseum in Dresden ausgestellt.
Fairlies wurden auch bei der französichen Militäreisenbahn eingesetzt, während die deutsche Militäreisenbahn die Variante der Zwillingslok bevorzugte. Dabei wurden zwei technisch unabhängige Maschinen rückwärts zusammenkuppelt. Beide Maschinen bekamen bereits ab Werk eine gemeinsame Betriebsnummer. Vorteil war, dass bei Beschädigungen der einen Maschine die andere noch weiterarbeiten konnte. Außerdem ließen sich die Loks wegen des jeweils geringeren Gewichts nach Entgleisungen besser wieder aufgleisen.
Eine originelle Maschine mit guten Fahreigenschaften: Durch die vollständige Symmetrie fährt das Modell in beiden Richtungen auch auf holprig verlegten Gleisen sehr gut und kommt auch problemlos durch den kleinsten Radius. Das Gewicht verteilt sich gut auf beide Antriebseinheiten. Durch die zwei Motore hat die Maschine eine gute Zugkraft.
Allerdings ist der Zusammenbau an der Verbindung der beiden Lokhälften fummelig, da die Dachüberstände der Führerhäuser etwa 10mm groß sind. Damit gibt es keine passenden Bauteile für die Bodenplatte. Die entstehende Lücke wird durch die Trittstufen kaschiert. Für das schwarze Zwischenstück, das den durchgehenden Kessel darstellt, habe ich an einen Baustein 30 zwei Kettenbeläge angebaut, das schließt die Lücke.
Der Optik wegen habe ich bei den Fotos die Kabel zwischen den beiden Drehgestellen weggelassen.
Die Single Fairlies hat zwar ebenfalls zwei Drehgestelle, davon ist aber nur das vordere angetrieben. Das hintere, unter dem Führerhaus liegende, ist ein nicht angetriebenes herkömmliches Drehgestell. Die Maschine hat daher eher Ähnlichkeit mit einer normalen Dampflok als mit einer Gelenklok. Die zwei Drehgestelle bringen die Maschine ebenfalls sehr gut um die Kurve, allerdings hat sie gegenüber der (Double-)Fairlie ein paar Nachteile:
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![]() Die unscheinbare Silhouette der Single Fairlie ist kaum von einer "normalen" Dampflok zu unterscheiden.
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Dem stehen folgende Vorteile gegenüber:
Aus meiner Sicht wäre eine Konstruktion besser, bei der die Antriebsachsen starr mit dem Rahmen verbunden sind und sich ein Teil des Gewichts auf beweglichen Vor- und Nachlaufachsen abstützt. Dadurch würden die Probleme mit der Dichtigkeit der Dampfleitungen vermieden und durch die symmetrische Achsanordnung gleiche Laufeigenschaften für Vor- und Rückwärtsfahrt zu erwarten. Beispiele dafür: BR 64, 99 6001 oder ganz einfach: die große fischertechnik Lok.
Wegen der Enge unter dem Aufbau habe ich leider nur einen Stromabnehmer montieren können. Es bedarf also sauberer Gleise, um die Maschine zu betreiben. Man müsste mal schauen, ob es im Fachhandel abgewinkelte Stecker gibt, die unter die Aufbauten passen.
Auf meiner (etwas holprigen) Teststrecke neigt die Maschine stärker zu Entgleisungen als die Double Fairlie. Hier gibt es aber sicher noch Verbesserungspotential, das genutzt werden sollte, denn es ist ein originelles Modell für alle, die nur den Kessel und die Wasserkästen der großen Dampflok besitzen. Wenn jemand aus zwei großen Loks eine Garratt gebaut hat, hat er genau diese Teile übrig.
In den USA fand unter der Bezeichnung "Mason Bogie" (manchmal auch "Mason Fairlie") eine weiterentwickelte Form der Single Fairlie weite Verbreitung für Schmalspurbahnen. Da überall ausreichend Platz zum Wenden der Loks vorhanden war, konnte auf die guten Fahreigenschaften für Rückwärtsfahrten verzichtet werden. Die Konstruktion sieht aus, als wäre eine Zwei- oder Dreiachsige Dampflok mit ihrem 2- manchmal auch 3-achsigen Tender verschmolzen. Da die Tender US-amerikanischer Loks wegen der Entfernungen recht groß sein müssen, führt das zu einer langgestreckten Konstruktion bei der der Führerstand frei über der großen Lücke zwischen den Drehgestellen schwebt. Im Aussehen sehr ähnlich sind "Forney" Maschinen, bei denen allerdings die Antriebsachsen nicht als Drehgestell ausgebildet sind, sondern fest mit dem Rahmen verbunden. Verbreitung: ebenfalls hauptsächlich Schmalspurlinien in den USA. |
Ebenfalls eine frühe Konstruktion (etwa 1868) für Gelenklokomotiven war die Bauart "Meyer", benannt nach Jean Jacques Meyer (1804-1877). In einigen Quellen wird sie auch als "Günther/Meyer" bezeichnet. Der zweite Namensgeber dabei ist wohl Wenzel Günther, der 1842 die spätere "Lokomotivfabrik G. Sigl" in Wiener Neustadt gegründet hatte. Wie die (Double-)Fairlie hat auch die Meyer zwei angetriebene Drehgestelle. Um die Dampfleitungen möglichst kurz zu halten, wurden die Zylinder meist zur Lokomotivmitte ausgerichtet. Die symmetrische Achsanordnung in zwei Drehgestellen führt gegenüber der Mallet zu größerer Laufruhe in beiden Richtungen. |
![]() ![]() Wegen der langen BSB-Drehgestelle wirkt das Modell der Meyer recht langgestreckt
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Eine der bekanntesten Maschinen dieser Bauart ist die sächsische IV k. Von diesem Typ stellte die Sächsische Maschinenfabrik, Chemnitz (vormals Richard Hartmann), zwischen 1892 und 1921 96 Stück für die sächsischen Staatsbahnen her. Auch bei dieser Maschine sind die Zylinder in Fahrzeugmitte angeordnet. Das hintere Drehgestell verfügt über Hochdruckzylinder, das vordere Drehgestell über Niederdruckzylinder. Eine IV k, die sich im Besitz der DGEG befindet, ist im Museum Bochum Dahlhausen zu besichtigen.
Ebenfalls bei Hartmann wurde auch eine normalspurige Meyer gefertigt, die BR 98.0, die speziell für die kurvenreiche Strecke der Windbergbahn entwickelt worden war. Die 98 001 befindet sich im Besitz des Verkehrsmuseums Dresden
Trotz zweier Drehgestelle kommt die Meyer nicht so gut um die Kurve, wie die Garratt oder die Fairlies. Sowohl bei Vorwärts- als auch bei Rückwärtsfahrten neigt das vordere Drehgestell dazu zu entgleisen. Die Ursache konnte ich noch nicht aufklären.
Meyer Maschinen waren nach meinen bisherigen Recherchen in der Regel kürzer als Mallets. Wegen der langen Lokfahrgestelle der BSB Maschinen lässt sich das aber nicht umsetzen.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte der schweizer Ingenieur Anatole Mallet (1837 - 1919) diese Form der Gelenklokomotive, die daher als "Bauart Mallet" bezeichnet wird (Patent 1884). Im Unterschied zu den anderen Gelenklokomotiven ist bei diesen Maschinen nur die vordere Antriebseinheit als Drehgestell ausgebildet, während die hintere starr mit dem Rahmen verbunden ist. Die Zylinder im Drehgestell werden mit Niederdruck versorgt. Da bei dieser Anordnung die mit Hochdruck versorgten Zylinder fest am Rahmen sitzen, werden Undichtigkeiten durch Gelenke im Hochdruckteil vermieden. Eine gut gemachte weiterführende Seite zu dieser interessanten Lokkonstruktion und ihrem Schöpfer: Malletlok |
![]() ![]() Eine Mallet für die BSB
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Leider reicht die Beweglichkeit der vorderen Antriebseinheit bei diesem Modell noch nicht aus, um den kleinen Radius zu befahren. Der Achsenabstand ist offensichtlich zu groß. Also werde ich entweder größere Radien verwenden müssen, oder die Maschine heimlich "Meyern" müssen (also die hintere Antriebseinheit ebenfalls als Drehgestell realisieren).
Da die als Drehgestelle verwendeten Lokfahrgestelle der BSB ziemlich lang sind, muss selbst der Kessel der langen Dampflok verlängert werden damit das vordere Drehgestell nicht zu weit übersteht. Dazu habe ich hier zwei kleine Räder ohne Naben zwischen Kessel und Führerhaus angeordnet.
Auf dem Foto habe ich die Verkabelung weggelassen - der Motor dient nur als Unterkonstruktion für den Kessel. Da die Maschine nicht durch die Kurven kommt, ist es bei einer einzigen Probefahrt geblieben. Mallets sind scheinbar nur sehr eingeschränkt für die engen Kurven von Modellbahnen zu gebrauchen. (Auf den Fotos sind zwischen den Antriebseinheiten Schienenverbinder zu erkennen. Hier stoßen gerade und gebogene Gleise aneinander. Weiter kommt die Mallet nicht in die Kurve ohne das mindestens ein Radsatz aus den Schienen springt!)
Die Bauart Garratt, benannt nach ihrem Erfinder Herbert William Garratt (1864 - 1913), war in erster Linie in den britischen Kolonien verbreitet. Da es noch einige betriebsfähige Maschinen in Südafrika gibt, ist diese Bauart vielen Dampflokfans bekannt.
Garratt hatte beobachtet, dass lange Drehgestellwagen problemlos enge Kurven durchfahren konnten und fragte sich, ob nicht eine Lokomotive nach gleichem Prinzip gebaut werden könnte. Wie Fairlie und Meyer hat daher auch die Garratt zwei angetriebene Drehgestelle, die aber weiter auseinander stehen, da Führerhaus und Kessel als langgezogene Brücke ausgebildet sind. Dadurch wirkt die Maschine in der Seitenansicht sehr lang und flach. Auf dem vorderen Drehgestell ist meist ein großer Wassertank untergebracht, auf dem hinteren wird Wasser und Brennstoff mitgeführt. Da der Kessel zwischen den Drehgestellen und daher verglichen mit den Bauarten Mallet oder Meyer tief liegt, sind große Kesseldurchmesser möglich. Die daraus resultierende Leistungsfähigkeit sowie die große Länge und die günstige Gewichtsverteilung machen Garratts besonders geeignet für hohe Geschwindigkeiten auf der Schmalspur. |
![]() Die längste und schwerste Gelenklok für Schmalspurbahnen:
![]() In der Seitenansicht gut zu erkennen:
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Die Firma "Beyer, Peacock & Co. Ltd." hat das Patent verwertet und etwa 2000 Maschinen gebaut. Nachdem das Patent 1928 auslief, bezeichnete sie ihre Maschinen als "Beyer-Garratts", um sie von Lokomotiven anderer Unternehmen zu unterscheiden. Auch deutsche Unternehmen, wie Hanomag, Henschel und Krupp, bauten Garratts hauptsächlich für den Einsatz in Übersee (Südamerika und Südafrika).
Für BSBler, die die Garratt nachbauen wollen, hier Fotos des geöffneten Modells: